Gedichte aus dem Bereich Seefahrt  

Albatros

Ich bin der Albatros, der am Ende der Welt auf dich wartet.
Ich bin die vergessene Seele der toten Seeleute,
die Kap Hoorn ansteuerten von allen Meeren der Erde.
Aber sie sind nicht gestorben im Toben der Wellen.
Denn heute fliegen sie auf meinen Flügeln in die Ewigkeit
mit dem letzten Aufbrausen der antarktischen Winde.

Sara Vial

Meeresleuchten

Aus des Meeres dunklen Tiefen
Stieg die Venus still empor
Als die Nachtigallen riefen
In dem Hain, den sie erkor.
Und zum Spiegel, voll Verlangen
Glätteten die Wogen sich
Um ihr Bild noch aufzufangen
Da sie selbst auf ewig wich.
Lächelnd gönnte sie dem feuchten
Element den letzten Blick
Davon blieb dem Meer sein Leuchten
Bis auf diesen Tag zurück

Friedrich Hebbel

Hinaus an den Strand will ich gehen,
Wenn keiner wacht.
Das wilde Meer zu sehen
Und die heilige Nacht.

Und wieder fasst mich das alte Weh -
Am Strand tanzt ein Boot.
Das lockt mich hinaus in die tosende See,
Fort, fort für immer von Hass und Not,
In die See, in die Nacht, in das Glück, in den Tod.

Ich löse das Tau
Und die Freiheit lacht
Hinter Nebel und Grau.
Und ich fahre jubelnd hinaus in die Nacht,
Das Elend fliehend zu Tod und Glück.

Joachim Ringelnatz

Segelschiffe

Sie haben das mächtige Meer unterm Bauch
Und über sich Wolken und Sterne.
Sie lassen sich fahren vom himmlischen Hauch
Mit Herrenblick in die Ferne.

Sie schaukeln kokett in des Schicksals Hand
Wie trunkene Schmetterlinge.
Aber sie tragen von Land zu Land
Fürsorglich wertvolle Dinge.

Wie das im Winde liegt und sich wiegt,
Tauwebüberspannt durch die Wogen,
Das ist eine Kunst, die friedlich siegt,
Und ihr Fleiß ist nicht verlogen.

Es rauscht die Freiheit. Es riecht wie Welt. -
Natur gewordene Planken
Sind Segelschiffe. - Ihr Anblick erhellt
Und weitet unsre Gedanken.

Joachim Ringelnatz

Meeresstrand

Ans Haff nun fliegt die Möwe
Und Dämmerung bricht herein,
über die feuchten Watten
spiegelt der Abendschein.

Graues Geflügel huschet
neben dem Wasser her,
wie Träume liegen die Inseln
im Nebel auf dem Meer.

Ich höre des gärenden Schlammes
geheimnisvollen Ton,
einsames Vogelrufen -
so war es immer schon.

Noch einmal schauerts leise
Und schweiget dann der Wind,
vernehmlich werden die Stimmen,
die über der Tiefe sind.

Theodor Storm